Das sind die Profiteure der Hochzinsphase

Kommt jetzt die doppelte Zinspause, hatte ich zuletzt in der Überschrift der Wochenausgabe gefragt. In dieser Sache haben wir nun Klarheit: Sie wird mit großer Wahrscheinlichkeit kommen. Mehr noch: Wir werden sogar die globale Mehrfach-Zinspause sehen. So haben folgende wichtige Notenbanken ihre Leitzinsen zuletzt nicht mehr erhöht: Die Fed, die EZB, die Bank of England und auch die Schweizerische Nationalbank (SNB).

Es mag nun sein, dass die Fed oder die Bank of England noch einmal nachkartet. Trotzdem, der globale Trend ist unübersehbar: Der sog. Zinserhöhungspfad der letzten Monate ist oder wird beendet.

Üblicherweise freuen sich Börsianer, wenn die Währungshüter nicht mehr an den geldpolitischen Zügeln reißen. Warum nur legen also die Aktienmärkte weiterhin nicht zu, sondern bauen eher weiter ab.

Es ist die Perspektive, die uns momentan frustriert. Denn die Notenbanken haben uns durch die Blume zuletzt erklärt, dass die Zinsen bis auf Weiteres erst einmal hoch bleiben werden. Die Zinspause kündigt also zunächst keine (konstruktive) Zinswende an.

Noch ein Problem: Die Zinspause fällt nicht vom Himmel, und sie ist keine „gnädige Darreichung“ der Währungshüter für uns als Börsianer. Sie ist der Prognose geschuldet, dass in den nächsten Monaten die nationalen Wirtschaften nur langsam oder im Extremfall gar nicht mehr wachsen werden.

Das ist zum Beispiel die Konjunkturprognose der EZB: Danach wird das Bruttoinlandsprodukt der Euro-Länder im laufenden Jahr um 0,7 % „wachsen“. Für 2024 sieht man eine Expansion von 1 % voraus, für 2025 erwartet man 1,5 %. Hier ein kritisches Wort: Viele Unternehmen werden ein Wachstum zwischen 0,7 und 1 % kaum spüren. Dieser Wert ist eher statistischer Natur und als Turbo für den Aktienmarkt kaum geeignet. 

 

18 Monate Zinspause gleich 18 Monate schwache Aktien?

Lassen Sie mich abschließend nochmals auf die anlaufende Zinspause zurückkommen. Die Inflation ist unverändert noch nicht besiegt, sodass wir mit einer längeren Phase erhöhter Zinsen rechnen müssen. Pessimisten rechnen sogar damit, dass die Leit- und Marktzinsen rund 18 Monate auf dem aktuellen Rekordniveau verharren werden. Heißt das nun im Umkehrschluss, dass die Aktien 18 Monate nicht mehr steigen können? Keineswegs!

Richtig ist sicherlich, dass sich vor allem offensive Geschäftsmodell bzw. deren Aktien erst einmal schwach entwickeln werden. Viele NASDAQ-Aktien fordern eben von ihren Investoren eine gewisse Risikobereitschaft. Die Risikoneigung der Investoren ist allerdings momentan begrenzt. So überrascht es nicht, dass der NASDAQ 100 aktuell mit über 3 % Wochenverlust notiert.

Problematisch wird es zudem für Unternehmen, die in den letzten Jahren viel Fremdkapital aufgenommen haben. Denn diese müssen nun für allfällige Anschlussfinanzierungen ziemlich tief in die Tasche greifen. Das wird im kommenden Jahr auf die Gewinne drücken.   

Diese Aktien und Geschäftsmodelle sind jetzt gefragt

Der internationale Kurszettel enthält allerdings auch zahlreiche „Zinsprofiteure“. Ich erinnere nur kurz daran, dass momentan Euro-Geschäftsbanken überschüssige Liquidität bei der EZB für 4 % parken können. Ungefähr ähnlich verhält sich der Sachverhalt für Versicherer. Der Markt bietet diesen Unternehmen momentan quasi eine Gewinngarantie.

Auch diese Unternehmen profitieren: Wie bereits indirekt angedeutet, in den kommenden Monaten werden wir als Investor unser Augenmerk wieder verstärkt auf Qualität und Substanz legen. Unternehmen, die in der Bilanz viel Eigenkapital stehen haben, belastet der hohe Zins naturgemäß weit weniger. Hier gilt noch ein Vorzug: In der Tat sind diese Qualitätsunternehmen derzeit noch nicht einmal offensichtlich teuer.

Gefragt werden also konjunkturfeste Geschäftsmodelle etwa aus den Branchen Stromversorgung oder Telekommunikation sein. Zwar arbeiten Unternehmen wie Deutsche Telekom oder der US-Versorger NextEra durchaus mit Fremdkapital. Aber ihr Cashflow ist groß, regelmäßig und belastbar, sogar in der Schwachkonjunktur.

Solche Unternehmen verfügen logisch über eine sehr solide Bonität und finden auch in einer Phase erhöhter Marktzinsen immer noch brauchbare Konditionen vor. Beispiel Siemens: Das Unternehmen hat sich jüngst umfassend frisches Fremdkapital besorgt. Dafür musste der Finanzvorstand 3,5 % bieten. Natürlich viel mehr als vor einem Jahr. Trotzdem: 3,5 % haben noch kein vernünftiges Unternehmen vom Kurs abgebracht.

 

Arista Networks: Künstliche Intelligenz kann auch höhere Zinsen wegstecken

Natürlich wird sich die Hochzinsphase auch auf das Trendthema Künstliche Intelligenz auswirken. Vor allem Neuprojekte mit unsicherer Perspektive werden nun geknickt. Wer nun in dieser Zeit ein Startup mit völlig neuem Geschäftsmodell aus der Taufe heben will, wird wohl erst einmal keine Geldgeber finden.

Unsere Depotposition Arista Networks betrifft dieses Problem allerdings nur sehr entfernt. Denn hier kombiniert sich nahezu idealtypisch für uns ein erfolgreiches und innovatives Geschäftsmodell mit starker Substanz. Ich habe gerade eben einmal einen schnellen Blick in die letzte Bilanz des Netzwerktechnikers geworfen.

Der Anblick ist angenehm. So haben die Amerikaner zum letzten Stichtag einen (kumulierten) Kontostand (Cash only) von 672 Millionen USD ausgewiesen. Unter dem Strich sitzt Arista auf liquiden und kurzfristig liquidierbaren Vermögenswerten von über 3 Milliarden USD.

Unsere zweite KI-Position, Microsoft, sitzt übrigens auf liquiden Mitteln und Wertpapieren im Gegenwert von 111 Milliarden USD. Sie verstehen, dass hier der erhöhte Leitzins oder Fremdkapital kein Thema ist.

Daraus ergibt sich für uns eine klare Marschrichtung: Wir werden verstärkt auf Eigenkapital, Substanz und auch Dividende setzen. Diese starken Vorzüge reichern wir an mit (realistisch bewerteten) KI-Aktien. In der bevorstehenden Hauptausgabe, die Sie am kommenden Dienstag, den 26. September erreichen wird, starten wir den sinnvollen Umbau des Trenddepots.  

Wissen Sie, ich habe mir die nun offenbar anhaltende Hochzinsphase nicht gewünscht. Die letzten Äußerungen aus den Kreisen der EZB und Fed haben mir schon leicht aufs Gemüt geschlagen. Wir wissen jetzt „was Sache ist“ und werden uns an die neuen Marktgegebenheiten anpassen. Ich bin guter Dinge, dass ich für Sie den richtigen Plan habe.

 

Netflix per Stop-Loss verkauft – Wir realisieren rund 31 % Buchgewinn

Bitte beachten Sie, dass ich gemäß meiner letzten Empfehlung die Aktie der Netflix zuletzt per Stop-Loss-Limit veräußert habe. Dabei habe ich das SL-Limit nicht zur Verlustbegrenzung eingesetzt, sondern zur Erhaltung des Kursgewinns. So konnten wir unter dem Strich leicht über 31 % Buchgewinn realisieren.

Ursprünglich wollte ich die Aktie länger halten. Charttechnisch betrachtet spricht allerdings einiges dafür, dass der US-Titel weiter südwärts streben wird. Insgesamt scheint mir, dass das Geschäftsmodell Video-Streaming künftig nicht mehr so stark wie in der Vergangenheit wachsen wird.

Ich rate unverändert zum Verkauf der Netflix-Aktie.