Zinsphantasie immer schwächer – Zwischenkorrektur kommt

Die wichtigen Aktienmärkte tendieren derzeit eher weich. Der NASDAQ 100 verliert im Wochenverlauf rund 2 %, während der DAX um ein halbes Prozent nachlässt. Was ist der Störer?

Mittlerweile wird immer klarer, dass die US-Notenbank heuer den Leitzins nur unwesentlich zurückfahren wird. Mitte März hatte Fed-Chef Jerome Powell noch drei Zinssenkungen für 2024 in Aussicht gestellt. Zuletzt wurden allerdings Stimmen aus der Notenbank vernommen, nach denen es möglicherweise nur eine oder sogar gar keine geben wird. Dann kommt die Zinswende eben erst 2025. Freilich ist diese Perspektive zunächst einmal ferne Zukunft, die man nicht jetzt schon handeln kann.

Ganz im Gegenteil: Viele Investoren haben nun den Eindruck, dass man in puncto Zinsentwicklung zu optimistisch war. Folglich rudert man nun zurück und verkauft auch einmal. Das sind die Faktoren: Zuletzt ist der Ölpreis wieder aufgetrieben, nachdem die geopolitischen Spannungen im Nahen und Mittleren Osten – Stichwort Gaza-Krieg und Huthi-Rebellen – anhalten. Außerdem verfügt die Ukraine inzwischen über Drohnen von großer Reichweite, mit denen man die Ölförderung teils tief in Russland stört. Folglich mussten die Russen zuletzt Förderung und Export drosseln.

Öl WTI in USD

Charterklärung: Der gegenwärtige Auftrieb des Ölpreises ist nicht nachfrage-getrieben, also fundamentaler Natur. Die Investoren preisen vor allem geopolitische Risiken ein. Der Chart deutet an, dass die Ölpreis-Hausse noch anhalten wird. Kurse über 90 USD pro WTI-Barrel müssen wir einkalkulieren.  

Auf der anderen Seite läuft die US-Konjunktur ziemlich rund, sodass sich einige US-Währungshüter fragen, warum man nun den Leitzins abwärts schleusen soll. Unverändert gilt: Währungshüter senken immer dann, wenn die Volkswirtschaft lahmt. Ist sie hingegen stark, kann man die Füße stillhalten.

Ich fasse zusammen: Die Ölpreise steigen und erschweren den Kampf gegen die US-Teuerung. Folglich sind die Marktzinsen – beispielsweise gemessen an 10-jährigen US-Anleihen – wieder leicht gestiegen. In diesem Kontext strebt auch Gold als Inflationsprofiteur weiter aufwärts. Diese „Mischung“ kann kein Turbo für den Aktienmarkt sein.

Ich sehe allerdings auch konstruktive Kräfte im Markt. So lag die Teuerungsrate im Euro-Raum im März nur noch bei 2,4 %, nachdem sie im Vormonat noch bei 2,6 % war. Das ist ganz spannend und eröffnet der EZB die Möglichkeit für einen geldpolitischen „Alleingang“. Konkret: Vielleicht werden die Euro-Europäer diesmal vor den Amerikanern den Leitzins senken. Ein solcher Alleingang würde den Euro schwächen und damit den europäischen Export stützen. Generell gilt zudem, dass die EZB mehr Spielraum als die Fed hat, zumal in Euro-Land sicherlich die Konjunktur nicht „überschäumt“.

Diese Frage drängt sich auf: Gehen wir nun in eine Zwischenkorrektur? Leider ja! Wie erläutert war die Zinsfantasie der letzten Monate überzogen. Dabei trifft die vergehende Zinsfantasie auf teils hohe Bewertungen, die ich vor allem im NASDAQ-Segment sehe. Anders formuliert: Der Aktienmarkt ist überkauft.

Trotzdem kann ich selbst bei ganz kritischer Recherche keine strukturellen Krisensymptome im Weltmarkt erkennen. Ich formuliere salopp: Da ist eine leichte Schaumkrone im Markt, die in den nächsten Wochen „verdunsten“ muss.

Zur Depottaktik: Stand heute schließe ich größere Veränderungen, also Verkäufe, im Trenddepot aus. Sinnvoll kann allerdings die eine oder andere Gewinnmitnahme sein, um die Cashquote etwas zu erhöhen. Alles andere wäre übertrieben.

 

Updates: Taiwan-Erdbeben geht an TSMC vorbei – VW punktet in USA

Das Trenddepot hat sich in dieser Woche wacker geschlagen. Ungeachtet der schwachen Marktvorgaben rückte etwa VW oder Taiwan Semiconductor (TSMC) spürbar auf. Was waren die Nachrichten?

Entgegen ersten Befürchtungen hat das starke Erdbeben auf der Insel Taiwan die Anlagen des Chip-Herstellers TSMC kaum betroffen. So war das Unternehmen bereits 24 Stunden nach der Katastrophe wieder (fast) in der Regelproduktion. Folglich rückt die Chip-Aktie in dieser Woche knapp 3 % vor.

Trotzdem habe ich mich entschieden, die Aktie der TSMC vorübergehend auf Halten zurückzunehmen. Das Unternehmen bzw. seine Aktie dürfen wir indirekt dem NASDAQ-Segment zuordnen. Mit anderen Worten: Hier sehe ich kurzfristig nicht das große Kurspotenzial.   

Der Autobauer VW hat starke Zahlen aus den USA gemeldet. Danach konnte man seit Jahresanfang markenübergreifend den Absatz um 21 % steigern. Das kommt überraschend, zumal die Finanzierung eines Neuwagens aufgrund des weiter stabil hohen Zinses definitiv keine Selbstverständlichkeit für den US-Autofahrer ist. Trotzdem waren die VW-Modelle Atlas und Jetta regelrechte Verkaufsknüller im US-Markt.

Beide Modelle hat der Autobauer auf die Bedürfnisse des US-Verbrauchers zugeschnitten. Damit rückt man von der Strategie der Vergangenheit ab. Zuvor hatte VW im Kern immer Modelle, die man für die europäischen Märkte entwickelt hatte, in die USA exportiert. Dabei wollte man den Amerikanern das Schaltgetriebe und zum Schluss den Diesel aufdrücken. Diese Strategie hat allerdings nie wirklich funktioniert, sodass die Kernmarke VW bislang in den USA nicht wirklich erfolgreich war. Das wird sich möglicherweise nun ändern.

Gleichzeitig verdichten sich die Anzeichen, dass sich die Autonachfrage in China erholen wird. Und im Reich der Mitte sind die Norddeutschen ungeachtet gewisser Verluste beim Marktanteil immer noch stark. Die Investoren haben die beiden Informationen addiert und die VW-Aktie auf Wochensicht um knapp 5 % hochgekauft.

Die VW-Aktie entwickelt sich seit rund 3 Monaten klar besser als der DAX. Ich gehe davon aus, dass diese Besserentwicklung (Outperformance) anhalten wird. Unverändert gilt: Die fundamentale Bewertung der Aktie ist ungewöhnlich günstig. Wir bleiben folglich zunächst investiert.

Taiwan Semiconductor Manufacturing Co.

Empfehlung: halten

Volkswagen AG (Vz.)

Empfehlung: halten